Montag, 28. November 2016

Die Perle der Anden

Nun ist es heute doch kein Ruhetag geworden, dafür ist Cuenca viel zu schön und interessant - eine echte Perle der Anden. Es ist eine der ältesten Städte bzw. Siedlungsplätze der Anden mit langer vorkolumbianischer Tradition. Das Volk der Canary und dann die Inkas haben hier geherrscht und sich die Oberhoheit einige Zeit mit Cuzco geteilt. Die Spanier haben dann manche Formen der Inkaherrschaft übernommen, ihre Kirchen an die Stelle der Tempel gesetzt, wie es die Inkas vorher mit den Canary taten. Allerdings bauten sie ihre Sonnentempel neben die Mondtempel der Canary und zerstörten sie nicht. Das taten erst die Spanier. Auch in Cuenca gibt es eine aktuelle Ausgrabung von Resten der alten Stadt, ich habe sie besichtigt.

Morgens hatte ich die Idee, eine privat geführte Stadtbesichtigung zu buchen, das war sehr lohnend, mein junger Guide war sehr kundig und wusste bestens zu informieren und einem die Schönheit und kulturelle Besonderheit der Stadt nahe zu bringen. Vier Stunden waren wir meist zu Fuß unterwegs. Heute ist Cuenca ein kulturelles Zentrum mit vielerlei Museen sowohl der Kulturgeschichte als auch von moderner Kunst und Handwerk. Die meisten "Panamahüte" werden hier gefertigt, eine solcher Manufaktur habe ich besichtigt. Die aktuelle Ausstellung hiesiger moderner Kunst war anregend, und die Altstadt nimmt es mit Quito locker auf. Nein, eigentlich ist Cuenca schöner, weil nicht so bombastisch und übervoll wie Quito. Der Markt, den wir besichtigten, quoll dann aber über von Früchten und Naturprodukten aller Art aus der Umgebung ebenso wie von der Küste. Die Küstenstadt Guayaquil, mein morgiges Ziel, ist ungefähr 4 Stunden entfernt. Wunderschöne Häuser bzw. Fassaden im spanischen Stil schmücken viele Straßenzüge. Die Plätze und Kuppeln der Kirchen prägen eindrucksvoll das Stadtbild. Innen sind sowohl die kleinere alte als auch die mächtige neue Kathedrale nicht gold überladen, sondern eher schlicht. Hat mir gefallen, auch wenn mein Guide betonte, Cuenca sei eben auch sehr konservativ und katholisch, viel stärker als Quito. Von der Großstadt - Moderne setze man sich hier gerne ab. Das muss ja nicht schlecht sein. Natürlich gibt es an der Calle Larga jede Menge Restaurants, Cafés, Bistros auf Andenart, das pralle bunte Leben, - sehr schön. Da werde ich nachher gut essen gehen. Eben habe ich noch eine hiesige Spezialität gegessen, einen Käsekuchen mit einem schönen Fruchtbelag. Cuenca ist mit Sicherheit einen Tag wert, eigentlich auch mehr, denn vieles konnte ich nur am Rande wahrnehmen und hätte dafür gerne mehr Zeit gehabt. Von wegen Ruhetag...

Und dann fällt mir mit großem Bedauern ein, dass dies schon mein letzter Tag in den Anden ist. Morgen Vormittag geht es zwar noch in den nahe gelegenen Nationalpark Cajas (bis 4000 m) , aber dann gehts abwärts aus der Höhe (Cuenca in einem weiten Hochtal, eher Becken, liegt immerhin auch 2300 m hoch) in die tiefe Ebene der Pazifikküste. Die Anden haben es mir doch sehr angetan, und die Vielfalt der Natur ebenso wie der Kultur sind wunderschön zu beobachten. In machen Hochregionen leben die Indios noch in größter Einfachheit und Armut (aus unserer Sicht), haben einfachste Hütten, wie ich sie nicht einmal in Nicaragua gesehen habe. Diese kleinsten Behausungen haben weder Strom noch Wasser. Nur Internet gibts over the air überall, und die jungen Leute, die ich beobachtet habe, werden kaum mehr bereit sein, dieses allereinfachste Leben geduldig zu teilen. Schaut man mehr auf die weiten (Hoch-) Täler, dann sind dort viele Städte und größere Dörfer entstanden, die ersichtlich Anschluss an die Moderne gesucht und gefunden haben: Moderne Agrikultur, Handwerksbetriebe und Fabriken sind überall zu sehen - und daneben bzw. mittendrin die Naturalienmärkte der Selbstversorger, samt Heilern und Schamanen. Natürlich ist auf diesen Märkten auch alles Andere, auch moderne Elektro- und Elektronikartikel zu finden. Auch Supermärkte gibt es in den größeren Städten, wenn sie auch (noch) längst nicht die Bedeutung haben wie bei uns. Allerdings lässt die rigide Rodung der Wälder zwecks Holzexport (gebaut wird strikt aus Stein, davon hat man genug, Lavastein ist meist leicht zu bearbeiten) und der Einsatz intensiver Landwirtschaft vermuten, dass man viele Fehler der Moderne wiederholt, die man bereits bei uns durch Raubbau an der Natur gemacht hat. In den vier Flüssen Cuencas mehren sich die Hochwasser, unter anderem auch dadurch, dass die wasserhaltigen Waldgebiete fehlen und Bodenerosion zunimmt - ein wohl bekannter negativer Kreislauf. Kunststofftüten fliegen auf den Hochebenen herum. Tradition und Moderne prallen hier eben doch recht hart aufeinander, es sieht nur auf den ersten Blick alles so problemlos und harmonisch aus. Die abseits von Quito und Umgebung "großspurigen" Straßen (ich schrieb ja bereits darüber) sind dann doch in einem zum Teil furchtbaren Zustand mit Schlaglöchern auf der Panamerikana, die einem jeden Stoßdämpfer zerfetzen. Überhaupt ist der wachsende Autoverkehr ein großes Problem, auch hier in der ländlichen Region. Was diese vielen Autos hier an Gestank und Lärm mit sich bringen (offenbar mit alten Motoren, die billig und 'abgeschrieben' sind und bei uns längst nicht mehr eingesetzt werden dürfen) ist selbst in Cuenca kaum erträglich; auch hier sah ich heute Polizisten mit Atemschutzmasken. Für diesen "Fortschritt" wird auch hier ein hoher Preis bezahlt. Andererseits ist das Benzin derart billig (ein Viertel vom Preis bei uns), dass Motorisierung eine Attraktion hat, die man recht gut verstehen kann. Hier zu kritisieren fällt schwer, wenn man an die kaum ausgestandenen Lernprozesse bei uns denkt, was Motorisierung betrifft.

Und dann die herrliche Natur! Die Anden sind so vielfältig wie nur irgendeine andere Bergwelt. Jedes Tal hat sein eigenes Gepräge, jede Hochfläche oder Region sieht anders aus. Man kommt von Norden her an den mächtigen Vulkanen vorbei - Cotopaxi und Chimborazo sind ja nur die bekanntesten, es gibt davon noch einige mehr an der "Straße der Vulkane". Nach Osten hin, wie ich es in Banios erlebt habe, wird der Einfluss des Amazonasgebietes mit schwüler Luft und sattgrünen, steilen, tiefen Tälern deutlich spürbar. Im Zentrum dann eine trockene Zone um Alausi herum, die zwischen zwei Bergketten liegt, die sich von Nord nach Süd erstrecken und darum kaum Niederschlag zulassen. Hier um Cuenca herum sind die nicht mehr ganz so hohen Berge (also nur noch um die 4500 m) anders angeordnet, so dass sich Wettereinflüsse aus Ost und West mit Niederschlag und Wärme abwechseln. Darum war es hier seit Menschengedenken so gut und fruchtbar zu leben. Das meiste habe ich ja nur beim Durchfahren erlebt mit wenigen Unterbrechungen wie bei den Vulkanen oder eben bei der Bahnfahrt von Alausi. Die Landschaften ändern sich ständig, es geht mit der Straße weit hinauf auf scheinbar sachte ansteigende Pässe, die gut und gerne mal 4000 m erreichen. Dahinter dann heideartige Hochflächen, wie ich sie noch nie gesehen habe mit einer Kiefernart, die mich mehr an Araukarien erinnerten, Dass ich nun morgen diese herrliche und beeindruckende Bergwelt der Anden verlasse, fällt mir richtig schwer. Zu viel Schönes habe ich in der kurzen Zeit am Rande liegen lassen müssen!



Das Wetter ist ein eigenes Thema. Kurz gesagt: Es gibt keinen Wetterbericht, jedenfalls keinen, der auch nur annähernd zutrifft. Das Wetter ändert sich ständig. Ich habe gestern Nebel, Hitze, schönen Sonnenschein und abends ein Gewitter mit Wolkenbruch erlebt auf einer Strecke von nur 170 km. Als ich in Cuenca ankam, hatten sich die Straßen tatsächlich in Bäche verwandelt. Heute ist es ab mittags sonnig und schön, was für den Abend noch überhaupt nichts besagen will. Vor allen Dingen ist es abends schnell kühl - und morgens kalt. So war es im Grunde überall und an jedem Tag. Nur der Wetterwechsel ist hier beständig!

Ich habe bisher eine Reihe sehr netter Reisebekanntschaften und menschlicher Begegnungen gehabt. Davon lebt ja eine Reise auf eigene Faust. Darüber muss ich ein andermal schreiben. Ein Ehepaar aus Paris (mit wenig Englischkenntnissen und meinen dürftigen Französischkenntnissen) treffe ich fast täglich, sie machen mit einem eigenen Guide offenbar eine sehr ähnliche Reise. Wir amüsieren uns schon darüber. Gestern und heute sind wir sogar zufällig im selben Hotel - und es gibt hier wirklich viele Hotels, Tourismus ist auch hier in Ecuador eine stark wachsende Branche, und man tut seitens des Staates auch eine Menge dafür. Nur mit der Beschilderung hapert es manchmal noch. Ohne Google Maps als Navi wäre ich hier recht verloren, besonders in den Städten. Aber man kann ja auch fragen, sich irgendwie verständlich machen klappt fast immer. Spanischkenntnisse wären in Ecuador schon von Vorteil, mehr als beispielsweise in Costa Rica.

Insgesamt hat sich mir Ecuador bisher als ein sehr gastfreundliches und liebenswertes Land gezeigt, in dem ich sehr, sehr gerne unterwegs bin. Ok, ich verlasse mit einem weinenden Auge die Anden, aber mit vielen Erwartungen nähere ich mich ja der Pazifikküste und Ende nächster Woche dann dem Naturwunder von Galapagos - wow! Da kommt noch was :-)

Hier gibt es eine Reihe von Fotos "live" aus Cuenca, heute nur mit der Handy-Kamera, im Googlealbum.





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